Kirche St. Mauritius

Das wohl markanteste Bauwerk des denkmalgeschützten Dorfkerns ist die Kirche St. Mauritius, bereits am Ende des 13. Jahrhunderts als Zentrum der Pfarrei und des Ortes „Grunstete“ genannt. Diese Kirche hat ihre ganz unverwechselbare Geschichte. So zieht sie uns (u.a. auch den Maler und Bauhausmeister Lyonel Feininger) nicht nur wegen ihres Äußeren, sondern besonders wegen ihres Inneren in ihren Bann und weckt unser Interesse und unsere Neugier nach der Geschichte und Architektur dieses Kirchenbaus.

Im Zusammenhang mit der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes 1289 wegen der Übereignung von Gütern an das Neuwerkskloster in Erfurt wurde auch von einer Übergabe des Patronates über die Kirche an das Kloster berichtet. Mit dem von Papst Johann XXII. an die Pfarrei gesandten Ablassbrief im Jahre 1322 wurde die Kirche zu einer Wallfahrtskirche. Die Gläubigen pilgerten an den Marien- und Aposteltagen und am Tage des Heiligen Mauritius in die Kirche, beteten und feierten die Messe, um einen „Erlaß der ihnen auferlegten Bußen auf je 40 Tage“ zu erhalten.
Ein erster Grunstedter Pfarrer wird 1363 erwähnt.

Während des Bruderkrieges 1446 – 1451, so wird im Kirchenbuch berichtet, ist die Kirche im Jahre 1447 völlig abgebrannt einschließlich Glocken, Kelch und anderem vorhandenen Kirchengerät. Mit Unterstützung des Herzogs Wilhelm III. wurde eine Sammlung im Lande zu Gunsten der ausgeraubten Gemeinde möglich und bereits 1450 konnte die aufgebaute Kirche am Sonntag nach Mauritius eingeweiht werden. Aus dieser Zeit stammt der spätgotische Turm (im Erdgeschoß 3,8 m lang und 3,1m breit), den zwei Gesimse in drei Geschosse teilen. In seinem unteren und mittleren Geschoss sind Lichtspalten und im obersten Kleeblattbogenfenster (Nord- und Südseite) bzw. größere gotische Maßwerkfenster (an der Ost- und Westseite, in geschädigtem Zustand ohne Mittelpfosten) erhalten. Ein neues Dach, eine schiefergedeckte Schweifkuppel mit geschlossenem Achteck und Helm, erhielt der Turm im Jahre 1726 im Zusammenhang mit dem Neubau des Langhauses.

Bis zur Reformationszeit befanden sich zwei Altäre in der Kirche. Der hohe Altar ist noch vorhanden, ebenso die in einem Altarschrein gefundene Figur einer „langhalsigen“ Maria. Der zweite Altar war dem Hochaltar gegenüber in einer besonderen Kapelle im Erdgeschoss des Turmes untergebracht. Die kleinste Glocke aus dem Jahre 1444 wurde der Gemeinde geschenkt, die mittlere Glocke ließ man 1467 gießen. Erst 1614 konnte bei Melchior Moeringk aus Erfurt die große Glocke (mit Fries und zwei sächsischen Wappen) in Auftrag gegeben werden.

Dreihundert Jahre diente das Gotteshaus der Gemeinde, ehe es durch Kriege und Brände stark reparaturbedürftig wurde. Im Jahre 1727 wurden die notwendigen Arbeiten an der baufälligen Kirche in Angriff genommen, ehe am 11. November 1729 der erste Gottesdienst in der renovierten Kirche abgehalten wurde. So entstand in den Jahren 1727 – 29 unter Einbeziehung von älterem Sockelmauerwerk und des o. g. Westturmes eine neue massive Saalkirche aus Bruchsteinmauerwerk mit den regelmäßig angelegten Rechteckfenstern in ihrer heutigen Gestalt. Chor und Langhaus haben zusammen eine Länge von 22 m und eine Breite von 6,7 m.

Diese Maße deuten auf einen möglicherweise schon vorher vorhandenen stattlichen Kirchenbau hin. An der Nordseite befindet sich die rechteckige Eingangstür mit verziertem Steingewände aus der Erbauungszeit. Daneben führt eine später angefügte Steintreppe mit Vorbau über eine spitzbogige Tür zum ersten Emporengeschoss. Das Mansarddach der Kirche mit innenliegender Holztonne und ebenfalls großen rechteckigen Fenstern wurde später vermutlich noch einmal erhöht.

Überraschend und interessant zugleich sind die Eindrücke beim Betreten des reich ausgestatteten barocken Innenraumes der Kirche. Auffällig ist zuerst die künstlerische Ausmalung des Innenraumes von 1729 mit der Holztonne im Dachraum und den in zwei Etagen an drei Seiten des Langhauses angeordneten hölzernen Emporen, für die die Gemeinde die Mittel selbst aufbrachte und dazu den Weimarer Hofmaler Johann Ernst Rentzsch gewinnen konnte. Diese original erhaltene Malerei macht die Niedergrunstedter Kirche zu einer Sehenswürdigkeit. An der Decke sind jubilierende Engel in Wolken und auf allen Brüstungstafeln der Emporen Bilder aus der biblischen Geschichte, derb, aber ganz lebendig und anschaulich dargestellt.

Nicht weniger überraschend ist die eigenwillige Gestaltung des Altarraumes. Der Kanzelaltar von 1728 gehört (wie der in Tiefurt) zu den in dieser Gegend vorkommenden Pyramidenkanzelaltären, vermutlich nach dem Vorbild der „Himmelsburg“ in der Weimarer Schloßkapelle. Vier Palmen tragen einen Baldachin (Architrav), unter dem der eigentliche Altar steht. Der Baldachin selbst trägt einen auffälligen und reich ausgestatteten Kanzelaufbau. Links und rechts auf dem Baldachin stehen die hölzernen Figuren von Moses und Johannes dem Täufer mit Lamm (als Überreste des alten Hochaltars), während in der Mitte eine mächtige Pyramide angeordnet ist, die ebenfalls von J. E. Rentzsch bemalt wurde (s.a. Inschrift auf der Rückwand des Kanzelbaus).

Aus dieser Pyramide tritt eine Kanzel mit Fruchtgehängen an den Ecken und darüber angeordnetem Schalldeckel hervor. Über der stilvollen Kanzel sieht man den auferstandenen Christus, umjubelt von 10 Kinderengeln über- und nebeneinander in Zweigen und Ornamenten. Lehfeldt [Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Fischer: Jena 1893] schreibt dazu: „Zur Bereicherung des Kanzelbaus sind 3 Figuren von einem spätgotischen Altarwerk (aus der Jenaer Schule?) benutzt. In der Mitte an der Kanzel-Vorderfläche steht Maria mit dem Kind, an den äußersten Ecken der Plattform (also schräg vor den Figuren von Moses und Johannes) zwei Heilige, wohl Apostel, mit Büchern (sonstige Attribute fehlen), klein, ganz gut geschnitzt und erhalten bzw. in Farben restauriert.“ Diese 3 genannten Figuren werden nur zu größeren Kirchfeiertagen aufgestellt. Als Abschluss trägt die Pyramide eine Strahlensonne.

Im Laufe der Zeit wurde die Kirche mehrmals renoviert. 1839 musste die Holzkonstruktion des Turmkopfes und die Dachdeckung repariert werden. Dabei wurden auch Turmknopf und Wetterfahne (mit der Jahreszahl 1685) überholt und im Knopf aktuelle Nachrichten hinterlegt. Die Aufsetzung des reparierten Knopfes erfolgte am 14. Juni 1839.

Durch Blitzschlag im Jahre 1927 kam es zu schweren Beschädigungen an Turmdach und Wetterfahne, die schnelle Reparaturen notwendig machten. 1930 wurde dann die Spindel der Wetterfahne ausgewechselt. Bei dem ebenfalls heruntergenommenen Turmknopf mußten vier Schußlöcher beseitigt werden. Danach erfolgte die Vergoldung des Knopfes und das Hinzufügen neuer aktueller Dokumente zu den vorhandenen alten Schriftstücken von 1839.
1945 verursachte eine Luftmine erneut Schäden an Turm- und Kirchendach und an den Fenstern. 1963 erfolgte die Erneuerung des Kirchturmdaches. 1987 musste erneut die Wetterfahne repariert werden. Dabei wurde zusätzlich zur Jahreszahl 1685 die von 1987 eingestanzt. Im Turmknopf wurden wiederum aktuelle Nachrichten hinzugefügt, nachdem die vorhandenen Nachrichten von 1839 und 1930 besichtigt wurden. 1992 begann die Rekonstruktion des Hauptdaches, welche 1994 mit der Schieferneueindeckung abgeschlossen wurde. 2019 wurde der Turm restauriert.

Aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt die wertvolle Orgel (vermutlich aus der Werkstatt Witzmann), die im Katalog des thüringischen Orgelbestandes als denkmalwürdig katalogisiert wurde. Erste Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen erfolgten 1999 und nach Jahrzehnten konnte die Orgel zumindest teilweise wieder bespielt werden.
Das heutige Glockenspiel besteht aus drei Glocken von 1920 und 1922. Sie wurden 1999 zusammen mit der Wiederinbetriebnahme der Kirchturmuhren zusätzlich mit elektrischen Schlagwerken versehen.
Hervorzuheben aus dem Kirchenbesitz ist neben einem gotischen Kruzifix noch ein Kelch von 1706, gestiftet von Margarete Messner, Fuß in Sechspassform, Kugelknauf mit gravierten Eiern, Kupfer vergoldet, 17.5 cm hoch (nach Lehnstedt).


Virtueller Rundgang in und um die Mauritiuskirche:

Um die Kirche zu „betreten“, muss man auf den Link klicken <https://360grad-denkmale.de/virtuelle-rundgaenge/kirchen-des-weimarer-lands/dorfkirche-niedergrunstedt/> , worauf sich ein Foto öffnet, das die Stelle vor der Kirche zeigt. Mit der Maus kann man sich dann zur Kirche wenden und hineingehen. Im Inneren ist es auch möglich, den Blick von den Emporen und sogar vom Pyramidenkanzelaltar aus zu genießen. Man kann so auch auf den Friedhof gehen. Dazu muss man jeweils auf eines der Fadenkreuze klicken.


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